Gedankenkarussell: Von Vorsätzen und dem FBI

Ich bin nicht der Typ für Vorsätze zum Neujahrsbeginn, denn im Kleinen kann jeder einzelne Tag ein Neuanfang sein. Theoretisch – ich bewundere nämlich all jene, die sich etwas vornehmen und direkt umsetzen. Ohne große Planung anfangen und sich durchbeißen. Einfach machen und nicht so viel darüber nachdenken, was sie da gerade tun und wohin das führen könnte. Zu oft legt der eigene Kopf sich Ausflüchte zurecht, die einen schneller ausbremsen als die piepsende Blitzer-Warn-App auf dem Handy.

Gestern bin ich dann über eine Notiz gestolpert, die direkt vom 01. Januar 2017 stammt und um eine Uhrzeit geschrieben wurde, die mir als Erklärung dient, warum ich mich nicht daran erinnern kann. Es sind Vorsätze für das Jahr 2017 und als ich sie fand, war ich zuerst irritiert. Eigentlich nicht mein Ding das Ganze. Die ersten Ziffern bestehen auch eher aus Vorhaben, die ich sowieso umsetzen werde und an denen schlicht kein Weg vorbeiführt, wie etwa die Masterarbeit zu beenden.

Aber zwei Punkte brachten mich zum Schmunzeln, denn sie waren in einem Ghetto-Ton niedergeschrieben, der mich daran erinnerte, dass ich mehr als zwei Gläser dieses edlen Tropfen Weins intus gehabt hatte. Aber wie heißt es? Alkohol und kleine Kinder verraten immer die Wahrheit? So oder so ähnlich – vielleicht bin ich ja nicht die einzige, die sich an diese zwei speziellen Dinge etwas mehr halten sollte.

gedankenkarussell

Kümmere dich um deinen Scheiß und guck‘ nicht so auf andere!

Ein Umstand, der zwar schon besser geworden ist, mich aber seit über zehn Jahren beschäftigt, ist mein Leben und meinen Scheiß nicht in Beziehung zu anderen Leben und anderem Scheiß zu setzen. Der Alltag und besonders die Social-Media-Welt mit all ihren spannenden Charakteren können manchmal für Frust sorgen. Wie kann etwas, das einem so viel Spaß macht, auch manchmal so runterziehen?

Man klickt sich durch, saugt dieses und jenes auf und erfährt dies und das – und alles summiert sich zu einer geballten Masse Erfolg und Sonnenschein. Nur dass man eben die Sonnenbrille nicht findet und dann den halben Tag verblendet, mit Sternchen vor den Augen und Kopfschmerzen durch den Tag geht und das eigene Leben einen irgendwie frustriert. Nachts wird man dann in einer Neufassung von Chucky – Die Mörderpuppe von Funkos gejagt und zerfleischt.

Mich kotzt das richtig an! Denn Überraschung: kein Leben ist perfekt. Sondern alle Leben haben gute und schlechte Zeiten. Und zum Glück werden die schlechten Zeiten nicht von Shonda Rhimes geschrieben. Nur der Schweiß, die Tränen und das Zittern, das so viele Wege zum Erfolg begleitet, erschließen sich nicht aus 140 Zeichen, 300 Wörtern, ein paar abgedrehten Gifs oder kaschierenden Filtern. Alles im Leben wirft in irgendeiner Weise Schatten und zum Glück müssen wir über manche von diesen gar nicht selbst springen.

Zufriedenheit ist wahrscheinlich ein Zustand, der immer mal abhandenkommen wird. Man entwickelt sich immer weiter, strebt hiernach und danach und im Grunde wäre es ja auch eine gruselige Vorstellung, irgendwann angekommen zu sein. Vielleicht in sich selbst, wenn man es philosophisch mag. Aber es muss doch immer irgendwie weitergehen, bis es dann halt irgendwann echt zuende geht. Ob wir mal zu der Generation gehören werden, die am Sterbebett die Hand vom Urenkel tätschelt und klagt: „Ach, wäre ich doch weniger online gewesen“? Na gut, ich hoffe, dann fällt einem etwas Besseres ein als das.

Im letzten Jahr ist es viele Male vorgekommen, dass mich Nachrichten erreicht haben, bei denen ich gemerkt habe, dass ich mit meiner Schwäche gar nicht so allein dastehe. Dann war ich es, die für Freundinnen motivierende Worte gefunden hat und sie an ihre Erfolge erinnerte. Ich kam mir vor wie Rachel, die in der einen Friends-Episode auf Cheerleader macht. Aber ich dachte auch: Wow, und bei mir selbst kriege ich das nicht hin? Da muss ich es von Mama hören?

Das mag nun zwar ziemlich egozentrisch anmuten, aber ich bin der wichtigste Mensch in meinem Leben. Du bist der wichtigste Mensch in deinem Leben. Vielleicht verschiebt sich die Priorität irgendwann mal, vielleicht treten Kinder an die erste und man selbst an die gefühlt siebenundzwanzigste Stelle, aber ich hoffe nicht. Sich um sich selbst zu kümmern, zielt ja schon auf Selbstliebe ab und ich denke, die sollte man nie aus den Augen verlieren – oder erstmal lernen. Vielleicht sollte man auch nicht immer so streng mit sich selbst sein, mal die Zügel lockerer lassen, so wie man einer Freundin viel eher rät, sich auch mal auszuruhen, während man selbst bis in die Puppen arbeitet. Eben nur mal 80 statt immer 120 Prozent zu geben, ist kein Weltuntergang, sondern man merkt, dass das ziemlich gut klappt.

Die Ansprüche an sich selbst sind meistens am größten – als würde man neben der Hauptrolle auch noch die böse Stiefmutter seines Märchens mimen, nur damit die Story etwas mehr Pfeffer und Stress abbekommt. Wenn dann zusätzlich noch Vergleiche mit anderen herangaloppieren, wird es erstrecht kompliziert, gar ungesund. Jeder Mensch ist anders und jeder verdient es, in seinem Leben die Hauptrolle zu spielen. Andere können dich inspirieren, man kann sich an ihnen orientieren oder von ihnen lernen. Aber man sollte nicht den eigenen Wert am Leben anderer messen. Die Erfolge der anderen definieren nicht das, was man selbst ist.

Statusupdates lesen und versuchen, einmal nicht jedes Wort in den eigenen Dunstkreis gelangen zu lassen. Einen Brief an sich selbst schreiben, alle Stärken darin verpacken und so tun, als wäre man der größte Fan von sich selbst. Damit es irgendwann Realität wird. Stopp! denken, wenn das, was X gerade erlebt, neidisch an einem knabbert, obwohl man das doch gar nicht fühlen will. Oder einfach mal fühlen und zulassen, zeitig schlafen gehen und am nächsten Tag haben sich die Eingeweide wieder entknotet. Akzeptieren, dass man als Mensch nun mal all das fühlt und es zum Leben dazugehört, dass man aber auch immer die Wahl hat, die Möglichkeit sich zu befreien. Denn der Kopf lässt sich überlisten.

Hör auf zu stalken, man. Was bringt es dir eigentlich?

Um ehrlich zu sein, bringt es mir gar nichts. Nichts. Noch vor fünf Jahren gab es mir ein Gefühl der Kontrolle, als alles um mich herum zerfiel wie die letzte Traumsequenz in Inception. Damals waren Sprüche populär wie „Frauen sind gefährlicher als das FBI – sie kriegen alles raus“. Diese ganzen Bilder mit Weisheiten, die damals meine Festplatte zumüllten, sind heute genauso uncool wie durch die Stadt ziehende Jugendliche mit Bierflasche in der Hand oder die, die laut Musik auf ihrem Handy hören (ohne Kopfhörer) und damit ihre Umgebung belästigen. Am besten mit gutem alten Deutsch-Rap. Okay, wann war das eigentlich überhaupt mal cool und wann dachte das der pubertierende Geist nicht nur?

Anstelle diese Stärke, Dinge herauszufinden, in den investigativen Journalismus zu stecken und Missstände für den Spiegel aufzudecken, brachte ich lieber als Show-Act auf Partys Informationen zutage, die Freundinnen traurig stimmten. Dass die Wahrheit manchmal weh tut, haben wir damals über soziale Netzwerke gelernt.

Im letzten Jahr ist mir aufgefallen, wie sinnlos es eigentlich ist, immer die Nase in die Angelegenheiten von Personen zu stecken, die vor Ewigkeiten aus dem Leben verschwunden sind. Und doch ist es in der heutigen Zeit verdammt einfach und besagte Personen nur wenige Klicks entfernt. Unzählige Möglichkeiten bieten sich einem an – und man lässt den letzten Faden doch nicht zu den paar Seelen abreißen, die einem mal so vertraut waren. Als würde man vor dem letzten, endgültigen Sprung zögern. Aber nur, weil die Vergangenheit zu einem gehört, haben diese Menschen doch nichts im Hier und Jetzt verloren.

Entweder man sitzt allein zuhause in seinem Kämmerchen und surft durch Leben, die einmal das eigene positiv oder negativ berührten. Oder man guckt bei einer Party zusammen mit anderen die Profile an, eben weil man es kann. Was macht der jetzt eigentlich? Alter, DIE ist schwanger?

Heute hat das bei mir nichts mehr mit wahrem Interesse zu tun sondern mit purer Langeweile. Klar, manchmal erfährt man über die Stalkerei wirklich was Neues und denkt sich: Echt schön für sie/ihn. Dann ist man kurz überrascht, weil man so erwachsen geworden ist. Was passiert schon? Ist doch kein Problem, ein bisschen in die Vergangenheit zu tauchen – nur dass man sie in genau diesem Moment mit der Gegenwart vermischt. Und im Grunde bringt es einen doch überhaupt nicht weiter und diese Information wird unter Reissack in China abgespeichert.

Als ich vor vielen Jahren eine schlimme Trennung durchmachte, war mein Papa ziemlich sauer (auf den Typen natürlich) und sagte, so einen Scheiß hätte es bei ihnen nie gegeben. Ich hatte ihm gerade erzählt, dass ich feiern gehen wollte, weil Y da sein würde. Wer mir das verraten hatte? Mein Freund Facebook. Papa sagte, damals in seiner Jugend hätte man Schluss gemacht und wenn das Mädel vom Dorf kam, mied man einfach das Dorffest. Es war vorbei. Man konnte keine volltrunkenen SMS schreiben oder auf’s Band heulen. Sah nicht jedes neue Whats-App-Profilbild. Aus den Augen, aus dem Sinn wird in unserer vernetzten Welt immer schwerer.

Loslassen trotz der Freifahrtscheine unseres Online-Daseins ist etwas, das ich noch nicht vollständig gelernt habe. Wenn mich in diesem Jahr die Langeweile übermannt, werde ich das Smartphone zur Seite legen und mein Buch aufschlagen, tanzen oder ein Glas Wasser trinken. Ich wollte noch nie zum FBI, man! Ich werde nicht nur meinen Kleiderschrank ausmisten und mich von Dingen trennen, sondern auch in der virtuellen Welt endlich aufräumen. Denn so viele, die Facebook mir als meine Freunde vorgaukelt, sind es schon lange nicht mehr – und die Schublade Reissack in China ist dann auch endlich leer.

In diesem Sinne starte ich jetzt in meine Yoga-Challenge, denn neue Routinen müssen her! Ich bin überzeugt, wir rocken alle 2017 und sind gut zu uns selbst.

Wie steht ihr zu Vorsätzen und Altlasten, die sich so in den Alltag schummeln?

eurelaura

28 Gedanken zu “Gedankenkarussell: Von Vorsätzen und dem FBI

  1. Morgen Luft schreibt:

    Ein schöner beitrag. Ich finde mich etwas in beiden Punkten wieder, werde aber schon besser ;-) Zu meinen Vorsätzen insgesamt gehört das: „mal laufen lassen“ Einfach mal gucken was passiert, nicht gleich gedanklich alles zu zerhacken.

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  2. Melanie schreibt:

    Klasse Beitrag Laura! Von Neujahrsvorsätzen halte ich nicht viel, man bzw. ich setzt/setze sie eh nicht um.
    Ich mache mir aber schon Gedanken darüber was ich vielleicht ändern/optimieren möchte und überlege wie ich das am besten angehe ohne nach vier Wochen wieder aufzugeben.

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  3. kaddy schreibt:

    Du triffst mit deinem Beitrag perfekt den Nagel auf den Kopf!
    Gerade dieses stalken auf Facebook kenne ich nur zu gut. Da kann man mal nicht einschlafen, geht mit dem Handy auf Facebook, sieht ein Foto wo XY markiert ist und X Leuten es gefällt und schon ist man in Stalker-Modus. Gerade bei Leuten, die man eigentlich vergessen will schaut man auf die Profile und vergleicht sich oft miteinander. Oft aber bin ich erstaunt wie die Zeit rennen kann, es war doch erst gestern als man zusammen in einer Klasse war…huch, das war ja eigentlich vor 10 Jahren.

    Vielleicht sollte man sich ja zum Vorsatz nehmen nicht so sehr auf andere zu schauen oder sich die tausendste To-Do Liste schreiben, die man eh nie komplett abhacken kann, um das „perfekte“ Leben zu haben.

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  4. Stehlblüten schreibt:

    Ich habe es dir zwar schon gesagt, aber ich mag es auch hier noch einmal loswerden: ein wirklich großartiger Beitrag, den ich gerade so gut gebrauchen kann. Vor allem dank Punkt 1.
    Mein neuer Vorsatz werden Wochenenden mit 80%. :D
    Ich bin froh, dich zu kennen. <3

    Anabelle

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  5. Madame Lustig schreibt:

    Ein ganz toller Beitrag, der mich während des Lesens nicht nur kräftig nicken ließ, sondern jetzt auch etwas nachdenklich zurück lässt. Als Kind der 80er kam ich noch in denn Genuss der internetfreien Zeit und ich bin dankbar dafür. So sehr ich es heute genieße meine Runden durch das World Wide Web zu ziehen und mich mit unzähligen Menschen weltweit auszutauschen, fehlt mir doch manchmal die Ruhe und die Freiheit, die man früher hatte, als man noch nicht alles nachgooglen konnte und nicht 24 Stunden erreichbar war. Ich glaube, viele Probleme wären behoben, wenn wir unser Leben alle mal ein wenig entschleunigen würden. Ohne schlechtes Gewissen. Wenn wir wieder anfangen würden wirklich zu leben.

    Ganz liebe Grüße und vielen Dank für diesen tollen Beitrag.
    Maike

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    • Laura schreibt:

      Vielen Dank! :) Ja, zum Thema Entschleunigung steht auch ein Buch auf meiner Leseliste, auf das ich schon ganz gespannt bin – „Slow“. Echt ein wichtiges Thema in der digitalen Zeit.
      Auch an dich Liebe Grüße
      Laura

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  6. Jacquy schreibt:

    Ich bin eigentlich Fan von Vorsätzen, solange sie auch wirklich realistisch und umsetzbar sind. Wenn man es wirklich möchte, dann macht man es auch und wenn einem der Start ins neue Jahr hilft, einen Schlussstrich unter schlechten Gewohnheiten zu ziehen, dann ist das doch super.
    Deine Vorsätze finde ich klasse und echt wichtig. Ich muss auch noch lernen, einfach mein Ding durchzuziehen und nicht immer zu denken „so gut wie xy kann ich das sowieso nicht“ oder „wie sollte ich da mithalten?“. Um sowas komplett zu vermeiden müsste man sich wohl von allen Social Media fernhalten, aber daran arbeiten ist schon mal ein Anfang.
    Was den anderen Punkt angeht ertappe ich mich in letzter Zeit auch oft dabei, über Facebook nachzuschauen, was ehemalige Mitschüler so machen. Mich interessiert einfach, was bisher aus ihnen geworden ist, fast zwei Jahre nach dem Abitur und seit ich sie das letzte mal gesehen habe. Man hat nun mal nicht mehr zu allen Kontakt. Was ich mir aber noch zu Herzen nehmen muss ist, dass man diesen Kontakt in den meisten Fällen ja gar nicht will, sonst wäre er schließlich da. Im Endeffekt ändert es an meinem Leben rein gar nichts, ob das Mädchen, das früher zufällig neben mir saß, jetzt Jura studiert oder arbeitslos ist.

    Tolle Beitrag, danke dafür!

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  7. crumb [KeJas-BlogBuch] schreibt:

    Wow! Ein ganz wunderbarer Beitrag den du verfasst hast! Ich kann mich nicht ganz wiederfinden und doch wiederfinden! Social Medias sind für mich erst zum Thema geworden, als ich im August 2016 mit meinem (Gemeinschafts)Blog online ging, das Vernetzen, Kommentieren & Co. hat mich doch sehr gefangen genommen, jedoch im positiven Sinne. Nach und nach jedoch, schlich es sich ein immer wieder ein Blick auf Twitter & co. zu werfen ~ schnell merkte ich: huch, was glaube ich denn zu verpassen?
    Natürlich schaue ich immer noch, teile meine Beiträge, die der anderen Blogger, kommentiere, aber lasse nicht meinen Alltag davon bestimmen. Schnell rutscht man gerade in der heutigen Zeit in ein Gefühl „wenn ich nicht regelmäßig schaue, bin ich nicht up to date“ – Gefühl, da tut solch ein Beitrag von dir doch wirklich gut & ich hoffe dieser erreicht viele!

    In diesem Sinne einen wunderbaren Sonntag gewünscht!
    Janna

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    • Laura schreibt:

      Vielen Dank für deinen Kommentar! :) Ja, dieses Gefühl, etwas zu verpassen, kenne ich wirklich gut.. Das war am Anfang wirklich hart, das abzulegen, aber wenn man es einmal geschafft hat, ist es super. :)
      Hab eine schöne Woche!
      Laura

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