Ich liebe Tanzen. Ich selbst war viele Jahre in einem Tanzverein und hab fast alles von Hip-Hop über Ballett, Jazzdance, Swing und Rock’n’Roll ausprobiert. Zudem bin ich ein riesen Fan aller Filme, bei denen getanzt und gesungen wird. Doch Filme wie „Step up“ Teil eins bis vier (fünf?), „Street Dance“ und alle anderen Dance-Battle-Love-Story-Filme haben leider eines mit ProSiebens Tanzshow „Got to Dance“ gemeinsam: bei den Dialogen kann man gern den Ton runter drehen. Ist eben nur was für’s Auge…
Warum? Ganz einfach. Augenscheinlich möchte sich ProSieben von sämtlichen RTL-Casting-Shows abheben, indem es anstatt nach Bohlen-Manier menschenverachtende und bloßstellende Situationen provoziert, jeden Honk im weichen Tuch der endlosen Lobgesänge wiegt. Ja, es ist wie bei diesen Kinder-Sportveranstaltung, wo es keine Verlierer gibt, nur Spaß und noch mehr Spaß und übertriebene Lobhudeleien.
An sich schauen sich die Tanzeinlagen ja wirklich hübsch an, da wippt auch schon mal der kleine Zeh im Takt (glücklicherweise wird bei jedem Titel auch auf das aktuelle „Got to Dance“-Musikerzeugnis hingewiesen, welches man im Musikfachhandel – Kaufland zum Beispiel – Erwerben kann. Die denken einfach mit).
Leider nur sollte man ein wenig Geduld mitbringen, denn auch wie bei RTL muss man sich erst dezent überdramatisierte Personenvorstellungen antun. Nein, ich übertreibe. Es werden tatsächlich die Hobbies und das Leben der Tänzer vorgestellt. Aber dennoch, es scheint nicht zu verhindern zu sein, auch hier und da wird wieder das eine Tränchen verdrückt. Wenn’s halt sein muss…
Das aller schlimmste aber, was für mich wirklich einen Grund zum Weiterseppen darstellt, ist die Jury. Zum einen, wo wir gerade schon bei Tränen waren, Palina. Palina ist nämlich nicht nur nah am Wasser gebaut – sie lebt darin. Bei jeder zweiten Tanzeinlage, sei es Hip-Hop, Modern Dance oder ganz was anderes, überkommt es Palina und sie muss unter fließenden Bächen (wie bitte hält dieses Make-up?) dem Tänzer ihr Herz ausschütten und ihm für diese wunderbare Show danken, als habe er gerade ihr Erstgeborenes aus dem Feuer geholt. Das ist einmal nachvollziehbar und auch ganz nett. Aber beim zehnten Mal überlegt man schon, ob man der guten Frau nicht besser einen Psychologen empfehlen sollte.
Das ist das eine – das andere war vor allem in der letzten Staffel mehr als nervig: Denn die Jury, die damals noch mit aus Nikeata bestand – schien selbst mehr als tanzwütig. Weswegen nach den ganz harten Hip-Hop-Einlagen Nikeata UNBEDINGT mit auf die Bühne und mit dem Tänzer zusammen einen auf Jay-Z und Kanye West machen musste. Der Zuschauer war dann gezwungen, sich zu wiederholenden Male das tänzerische Genie der Jury beweisen zu lassen. Man solle ja auch bloß nicht vergessen, dass diese drei Gestalten da hinten nicht nur zum exzessiven Verbrauch der Taschentücher da waren. Das nenne ich mal ein ausgelassenes sich selbst feiern.
Das wichtigste überhaupt (jetzt aber wirklich) hätte ich fast vergessen. Der Grund, warum „Got to Dance“ so richtig fetzt, ist wohl die 3D-Kamera, die in jeder Vorführung (in jeder…) mindestens einmal diesen Ich-bin-in-der-Matrix-Effekt bringen muss – inklusive Sound. Oh, hier macht gerade keiner einer total angefahrenen Salto? Egal, dann frieren wir eben irgendwas ein. Palina beim ausschnauben zum Beispiel. Das Ding muss sich ja auch irgendwie rentieren! War sicherlich nicht billig…
„Got to Dance“ versucht anders zu sein, das Niveau unter den Casting-Shows etwas zu heben und das Hauptaugenmerk auch nur auf das zu legen, auf was es ankommt – das Tanzen. Das gelingt auch bis zu einem gewissen Punkt hin. Aber der Zirkus der manischen Gefühlsausbrüche schlägt bei diesem Versuch etwas über die Stränge. So richtig angenehm zu sehen sind dann wirklich nur die Tanzeinlagen. Wie gesagt, bei dem ganze Drum-Herum kann man getrost auf Stumm schalten. Leider wird das dann ein sehr ruhiger Abend werden.
„Got to Dance“ könnt ihr jeden Donnerstag ab 20.15 Uhr auf ProSieben sehen.