Die amerikanische und britische Serienlandschaft leisten sich seit den letzten Jahren ein regelrechtes Kopf an Kopf rennen. Die US-Autoren und Produzenten sind längst nicht mehr der Vorreiter auf den Gebieten spektakulärer Drehbücher, unerschöpflicher Budgettöpfe, ausgefeilter Post-Produktion und virtuoser Schauspieler. Natürlich stammen die meisten der hochklassigen Serienproduktionen, die in der letzten Zeit sämtliche Streaming-Dienste stürmen, aus dem Land von Uncle Sam. Da brauche ich nur Beispiele á la „Breaking Bad“, „Game of Thrones“, „The Walking Dead“ oder „Homeland“ zu nennen.
Allerdings müssen wir nicht immer über den großen Teich schauen, um bestens unterhalten zu werden. Großbritannien liefert ebenfalls überaus sehenswerte, mitreisende und hochwertig produzierte Genre-Serien. Diese erfreuen sich auch einer überaus großen Fangemeinde. „Sherlock“ löste einen wahrhaftigen Hype aus und stürmte die Herzen unzähliger Fangirls. Und „Downtown Abbey“ sorgt sogar in Amerika für Begeisterung.
Persönlich bin ich natürlich ein großer Fan dessen, was die amerikanische Industrie so Jahr für Jahr ausspuckt. Klar, hinsichtlich Quantität sieht es dort schon viel rosiger aus, als in anderen Ländern (bekanntermaßen bringt dies aber auch eine große Masse an qualitativ nicht ganz so hochwertigen Produktionen mit sich. Schaue man sich einmal abends Nick oder den Disney-Channel an. Gruslig). Aber was die Briten produzieren besitzt einen ganz eigenen Charme und oftmals auch eine unkonventionelle Herangehensweise an ebenso unkonventionelle Themen.
Bevor ich jetzt aber viel weiter abschweife (die Einleitung hat schon wieder Ausmaße angenommen…tsts), komme ich zu einem kleinen persönlichen Anliegen, dass mich seither beschäftigt.
Vor zwei Jahren legte mir ein Kommilitone die Serie „Skins“ wärmstens ans Herz. Ich, wie immer auf der Suche nach neuem Serienstoff, habe mich noch am selben Abend vor den Laptop gesetzt und begonnen via MyVideo die ersten Folgen zu schauen. Den nächsten Tag teilte ich besagtem Kommilitonen meine ersten Eindrücke mit, wusste aber nicht, dass ich anstelle der britischen Version die amerikanische gesehen hatte. Als wir nach einem längeren Gespräch endlich gemerkt haben, warum die Unterhaltung irgendwie merkwürdig anmutet, wurde mir mit einem verächtlichen Lachen von der amerikanischen Version abgeraten. Tags drauf setzte ich mich also von neuem hin, suchte diesmal nach der britischen Version und sah praktisch die erste Episode exakt nochmal. Bloß mit anderen Schauspielern. Mit teilweise anderen Namen. Und aus England.
An dieser Stelle:
Die kleine „Skins-Hautnah“-Nachhilfe:
Das britische Original lief von 2007 bis 2013, besteht aus 7 Staffeln und nennt sich hierzulande „Skins-Hautnah“ (Das ist der entscheidende Hinweis, falls ihr euch auch die gute Version ansehen wollt!)
„Skins“ handelt von vier Teeangern aus Bristol in England. Da hätten wir Nicholas Hoult als den Beau der Gruppe, Tony genannt. Seine Freundin Michelle, die ziemlich unter Tonys wechselhaftem Charakter leidet. Sid, Tonys bester Freund, der dem typischen Außenseiter-Klischee entspricht – nerdy, etwas eklig, unsichtbar, nicht unbedingt ein Kind von Stil (keine Ahnung warum er der beste Kumpel vom Frauenheld schlechthin ist). Sid lernt später Cassie kennen und verknallt sich natürlich asap. Leider nur erinnert Cassie an einen manischen Fall für die Klapse. (Aber Sid hatte jetzt auch nicht so die große Auswahl an potentiellen Partnerinnen). Wir treffen im Laufe der Staffel noch auf drei weitere Teenager der Clique: Chris – der Sozialfall, Maxxie – der schwule Tänzer und seinen bester Kumpel Anwar – der liberale Muslim (Wenn man bezeichnende Charaktereigenschaften so kurz und knapp nennt, klingt das ganz schön beleidigend, oder? Aber nichts für ungut)
Diese Figuren jedenfalls leben einfach so ihr natürlich oftmals sehr kompliziertes Teenagerleben, welches geprägt ist von Party, Drogen, Sex, Liebe, Freundschaft und anderen Katastrophen. Klingt auch hier erst einmal wieder sehr nach Klischeestoff, ist in der Umsetzung aber wirklich erfrischend, spannend und emotional. Die Charaktere sind liebevoll gestaltet und offenbaren im Laufe der Zeit mehrere Ebenen ihrer Persönlichkeit. In jeder Folge wird ein Teenager näher beleuchtet, so bildet sich Folge für Folge das Netz der Beziehungen und Verbindungen besser aus.
Als ich das zweite Mal die erste Episode von „Skins“, und diesmal von der richtigen Version, gesehen habe, war ich erst etwas enttäuscht. Denn sie komplett identisch mit dem Remake (Das spricht natürlich gegen das Remake. Nur hätte ich mir das sparen können)
Ist es nicht ganz schön schwach, als das Land der tausend Möglichkeiten eine Episode eins zu eins zu übernehmen? Hatten die Autoren alle keinen Bock? Glücklicherweise merkte man schon ab Episode zwei, dass der britische und amerikanische Geist sich in zwei verschiedene Richtungen entwickelte. Da trennt sich der Biskuit vom Cookie. Und das schmeckt mir als Zuschauer gut.
An dieser Stelle:
Kleine „Skins (US)“-Nachhilfe
Die Serie existiert seit 2011 (wurde also produziert als das Original noch lief, warum auch immer). Und besteht aus, jetzt kommt‘s: einer Staffel (es gibt noch irgendwo Gerechtigkeit auf dieser Welt) Denn dieses Remake ist ein Verbrechen.
Warum gab es keine Staffel zwei? Weil die Teenies es einfach zu bunt getrieben haben. Sex, Drugs und Rock’n‘Roll bei unter 18-jährigen – in den USA natürlich ein No-go.
Auch hier haben wir einen Tony (Schauspieler irrelevant), der meiner Meinung nach seinen Charakter nicht halb so stark wie Nicholas Hoult mimt. Michelle ist auch wieder dabei. Cassie nennt sich Cadie (lässt fast nicht mehr auf den Original-Namen zurückschließen). Der Quoten-Ausländer (Verzeihung) nennt sich hier Abbud, unser schwuler Maxxie ist zur Lesbe Tea geworden (war anscheinend besser verträglich für die sensible amrikanische Zuschauerschaft). Und Tonys uncooler Freund ist Stan.
Natürlich handelt es sich bei den US-Kids ausschließlich um Topmodels. Und das ist meiner Meinung nach das, was die Milch im Tee des britischen Pendants ist. Teenager haben Pickel, fettige Haare, nicht immer ein Händchen für stilvolle Kleidung oder niveauvolles Make-up. Das ist die wahre Welt, Leute! Und das macht „Skins-Hautnah“ so authentisch und liebenswert. Wir sehen hier Jungs und Mädchen, wie man sie auch in Bristol auf der Straße treffen würde. Das haben die Amis leider noch nicht so raus (aber bei denen laufen ja auch gern die Figuren Sonntagfrüh mit High-Heels durch die eigenen vier Wände) Fettes Minus für die amerikanische Variante.
„Skins (US)“ wirkt schon in den ersten Minuten wie ein halbherziger Abklatsch, der mutig sein will, weil er Themen wie Homosexualität und Drogen behandelt, daran aber leider scheitert.
Hiermit meine Abschlussworte: es muss nicht immer die topproduzierte US-Produktion sein, die Briten haben genauso viel Geschick und sind manchmal auch einen Ticken näher am echten Leben dran.